1767 - 1845
Der Völkersitten, mancher
fremden Stätte
Und ihrer Sprache frühe schon
erfahren,
Was alte Zeit, was neue Zeit
gebaren
Vereinigend in Eines Wissens
Kette,
Im Stehn, im Gehn, im Wachen
und im Bette,
Auf Reisen selbst, wie unter’m
Schutz der Laren
Stets dichtend, aller, die es
sind und waren,
Besieger, Muster, Meister im
Sonette.
Der Erste, der’s gewagt auf
deutscher Erde
Mit Shakespear’s Geist zu ringen und mit Dante,
Zugleich der Schöpfer und das
Bild der Regel:
Wie ihn der Mund der Zukunft
nennen werde,
Ist unbekannt, doch dies
Geschlecht erkannte
Ihn bei dem Namen August
Wilhelm Schlegel.
1767 - 1845
Dir neigen Engel sich in
tiefer Feier,
Und Heil’ge beten, wo dein
Fußtritt wallt:
Glorreiche Himmelskönigin! Dir
hallt,
Die Gott besaitet hat, der
Sphären Leier.
Dein Geist blickt sichtbar
göttlich durch den Schleier
Der unverwelklich blühenden
Gestalt;
Du trägst ein Kind voll hehrer
Allgewalt,
Des Todes Sieger und der Welt
Befreier.
O Jungfrau! Tochter des, den
du gehegt!
Dein Schoß ward zu dem
Heiligthum erwählet,
Wo selbst ihr Bild die
Gottheit ausgeprägt.
Dein Leben hat das Leben neu
beseelet.
Die ew’ge Liebe, die das
Weltall trägt,
Ist unauflöslich uns durch
dich vermählet.
1767 - 1845
Der schöne Jüngling kniet auf dem
Altare,
Nackt, blaß, gebeugt, die Arme
auf dem Rücken,
Ein banges Weh in den erhobnen
Blicken,
Als ob schon Tod mit
Todesfurcht sich paare.
Der Vater steht, kraftvoll in
greisem Haare,
Geschürzt mit Glauben, sich in
Gott zu schicken;
Den fest ergriffnen Stahl, er
will ihn zücken,
Und morden allen Trost
verwaister Jahre.
Doch, wie er seine Stirn nach
oben wendet,
Als spräch er: du befahlst es,
Hort und Rather!
Rauscht ihm der Flügel eines
Himmelsboten.
Mit deinem Wollen ist die Tat
vollendet.
Allein behielt sich’s vor der
ew’ge Vater,
Den Sohn zu opfern für die
ewig Todten.
1767 - 1845
Ein frühes Veilchen, tief
versteckt in Moosen,
Erblickt’ ich; doch als
Sommerlüfte gingen,
Wuchs es zum Strauch, den Dornen
starr umfingen;
Dann wurden alle diese Dornen
Rosen.
Aus ihnen hört’ ich
Liederstimmen kosen,
Und sah empor sich
Nachtigallen schwingen;
Und ich erkannt’ in diesen
Wunderdingen
Der Liebe liebliche
Metamorphosen.
Hab’ ich in stiller
Schüchternheit vergöttert,
Litt ich der Zweifel
stechendes Gewühle,
Eh sich Erwidrung wollt’
entgegen neigen:
So sei mir nie der Rosen Füll’
entblättert,
Es bleib’ ihr Kelch die
Wohnung der Gefühle,
Die singend zwischen Erd’ und
Himmel steigen.
1767 - 1845
Es zogen Heere, donnerten
Geschütze
Fernab, die starke Veste zu
bestürmen,
Daß sich ihr Strom mit Leichen
mußte thürmen;
Die Sommernacht erhellten
Kriegesblitze.
Da wußt’, im engen Thal, auf
schatt’gem Sitze,
Vor allen andern als der
Freude Stürmen
Mich und die Liebste Liebe zu
beschirmen,
Vereinigt wie die Reb’ und
ihre Stütze.
Dieß deutet frohe Zukunft
unserm Bunde.
Wie sollt’ er nicht, von
freundlichen Gestirnen
Selbst im Gewitter angelacht,
bestehen?
Doch donnert, uns auch, der
Verheerung Stunde,
So laß uns, achtlos um der
Götter Zürnen,
Im Schooß der Liebe selig
untergehen.
1767 - 1845
Der Lorbeer, dem du glühend
nachgerungen,
O Flemming! welke niemals
deinen Haaren;
Der du durch Schiffbruch,
Wüstenei’n, Barbaren,
Fast bis zum Bett der Sonne
hingedrungen.
Du ließest, wo kein deutscher
Laut erklungen,
Die Fremdlings-Poesie sich
offenbaren.
Der Länder mehr, als
Alexanders Schaaren,
Hat dein Gesang verherrlichend
bezwungen.
Du warst der Orpheus jener
Argonauten,
Die Deutschland, Friede
wünschend, aus der Wolgen
Auf Caspiens Flut gesendet zu
den Persen.
Doch als auf dich der Heimat
Musen schauten,
Und du zurück kamst, ihnen
rasch zu folgen,
Da stach der Tod dich neidisch
in die Fersen.
Auf denselben
Dem frühen Schicksal ist sein
Raub entronnen,
Denn Flemmings Lieder werden
ewig lweben,
Wie kühn sie auch der Kunst
Geleis’ entschweben,
Wie leicht ihr goldner Faden
hingesponnen.
Es drängt sich freudig an das
Licht der Sonnen
Das herrliche Gemüth, das
innre Streben:
Aufbrausend, wie der edle Saft
der Reben,
Ein voller Becher, ein
lebend’ger Bronnen.
Das Vaterland, die Drangsal
wüster Zeiten,
Der Freude Freundschaft, der
Geliebten Liebe,
Und fremder Land’ und Völker
Herrlichkeiten
Besingt er wechselnd mit
gleich regem Triebe;
Ob seine Worte Orients Glanz
verbreiten:
Ihr Sinn nach deutscher Art
gediegen bliebe.
1767 - 1845
Du nahest nur, uns wieder zu
verlassen,
Dein rascher Weg hat dich
vorbeigetragen!
Von deiner Gegenwart
beglückten Tagen
Sah ich zu bald den heitern
Strahl erblaßen.
Dies kleine Blatt, das du
zurückgelassen,
Es soll dir meine Wünsche,
meine Klagen,
Dein Bild in mir, dein
Angedenken sagen:
Wie könnt’ es so viel große
Dinge faßen?
Drum dies nur: wird’s in
deiner Nähe wohnen,
Wird manchmal seinen Sinn dein
Blick entsiegeln,
So neid’ ich ihm sein
glückliches Gelingen.
O möcht’ ein Täubchen dir es
überbringen,
Und nähmest du’s ihm
schmeichelnd von den Flügeln,
Und möcht’ ein Kuß die kleine
Botin lohnen!
1767 - 1845
Der Vogel Zeus, der Träger
mächt’ger Blitze,
Als ihn sein Fürst zum Raub
auf Ida sandte,
Hielt er den Knaben, der sich
zagend wandte,
Behutsam, daß ihn nicht die
Klaue ritze.
Doch über Reiz und Unmuth
rollt’ in Hitze
Sein Auge hin; auch keinen Kuß
entwandte
Der Schnabel, der nur blut’ge
Thaten kannte:
So trug er rasch ihn zum
olymp’schen Sitze.
Du aber, holder Schwan, du
weißt die Gaben
Der Lieb’ in hoher Schönheit
Schoß zu pflücken,
Du willst nicht im Gesang, im
Kusse sterben.
Nicht sterben, nein, nur
lebend dich begraben
Im Wollusttaumel, und durch
dies Entzücken
Unsterblichkeit, wenn sie
nicht dein, erwerben.
1767 - 1845
Hermes und Aphroditens spröden
Knaben
Hält Salmacis in Liebeswuth
umschlungen,
Bis sie den Leib, eh als den
Sinn, durchdrungen,
Und in dem Gegenstand den
Wunsch begraben.
Denn die Natur, die sie
beleidigt haben,
Sie, die als Jüngling kühn um
Lust gerungen,
Er, mädchenhaft in scheuen
Weigerungen,
Vereinigt sie und straft durch
ihre Gaben.
Von Mann und Weib ein holdes
Zwitterwesen,
Mußt du, Hermaphrodit, in
Fülle schmachten,
Fühllos für Reize, die dich
doppelt zieren.
Unglücklich bist du, Salmacis,
genesen,
Da du erlangt hast der
Verliebten Trachten,
Sich ganz in dem Umarmten zu
verlieren.
1767 - 1845
Wenn fremde Blicke wachsam uns
umgeben,
Und unsre tiefe Sehnsucht,
ungestillt,
Sich in der Heiterkeit Geberde
hüllt,
Und leise kaum den Busen wagt
zu heben:
Dann ist nur eins, o mein
geliebtes Leben!
Was mein Gemüth mit Wonn’ und Ahndung
füllt:
Die Melodie, so deinem Mund’
entquillt,
Der seelenvollen Töne sanftes
Schweben.
Wie Liebesodem fühl’ ich den
Gesang
Auf diesen Lippen, die
vergebens glühen;
Zum Kusse wird mir jeder zarte
Klang.
Und nenne dies nicht eitle
Phantasieen.
Vernehm’ ich nicht im
schweigenden Umfang
Auch deines Herzens schöne
Harmonieen?
1767 - 1845
Wenn gern die Zither deiner
Finger Schlägen
Gehorcht, und Lieder deinem
Mund entgleiten,
Scheint Wohllaut so mit
Schönheit wettzustreiten,
Daß ich nicht weiß, was
mächt’ger kann bewegen.
Blind wie das Recht, müßt’ ich
die Stimme wägen,
Auf daß die Augen nicht das
Ohr mißleiten.
Doch reine Töne locken schon
vom weiten
Des Hörers Blicke deinem Blick
entgegen.
Beglücktes Holz, das dir im
Arme weilend,
Von dir berührt, von deinem
Reiz beseelet,
Beredt erwiedernd, Laut mit
Laut vermählet!
Doch glücklicher, wer, dem
Gesang voreilend,
Den Hauch all dieser
lieblichen Akzente
Auf deinen Rosenlippen suchen
könnte!
1767 - 1845
O daß ihr stille stündet,
sel’ge Stunden!
Weil ihr verdient zu weilen,
müßt ihr eilen,
Was euch vervielfacht, scheint
euch zu zertheilen:
Endlos Entzücken macht euch zu
Sekunden.
„Was klagst du? Wie gefunden,
so verschwunden.
„Befiedert trugen wir mit
Amors Pfeilen
Dir Lust herbei, und süße
Gunst, zu heilen
Die Wunden, die dein Herz kaum
überwunden.“
So sei denn, Stunden, meiner
Wonne Musen!
Lehrt mich, von eurem Flug
nicht fortgerissen,
Ruhig die holde Gegenwart zu
saugen.
„Lausch dem Sekundenschlag am
schönsten Busen,
Und zähle jeden Odemzug nach
Küssen;
Ein Augenblick blitzt manchen
Blick der Augen.
1767 - 1845
Wer Freundschaft für den
Schönen konnte fühlen,
Die, gleich der Lieb’, in
Sehnsucht oft erblaßte;
Wer je den Haß geliebt und
Liebe haßte,
Wählt’ Untreu buhlend ihn zu
ihren Zielen:
Der finde hier sein Bild, und
sanft entlaste
Der Worte Scherz den Ernst in
den Gefühlen;
Gern schau er dich in zarter
Lieder Spielen,
Des Schauspiel groß der Welt
Schauspiel umfaßte.
Süß Klagen ist der Laut und
Odem aller,
Sie weinen Perlen um Adonis
Jugend,
Lucretia’s Huld, die Tod und
Raub verbittert.
Hier bist du nur ein Stab
verliebter Waller,
Noch nicht der Speer, des
wunderbare Tugend
Verwundend heilt, wenn er die
Bühn’ erschüttert.
1767 - 1845
Sanft entschlummert sich’s an
moos’gen Klippen
Bei der dunklen Quelle
Sprudelklang.
Lieblich labt’s, wann Glut das
Mark durchdrang,
Traubensaft in Tropfen
einzunippen.
Himmlisch dem, der je aus
Aganippen
Schöpfte, tönt geweihter
Dichtung Sang.
Göttlich ist der Liebe
Wonnempfang
Auf des Mädchens unentweihten
Lippen.
Aber Eines ist mir noch
bewußt,
Das der Himmel seinen liebsten
Söhnen
Einzig gab: die Wonne milder
Thränen;
Wann der Geist, von Ahndung
und von Lust
Rings umdämmert, auf der
Wehmuth Wellen
Wünscht in Melodieen
hinzuquellen.
1767 - 1845
Zwei Schwester, lieb’ ich,
schwesterliche Schönen,
Die Einer hohen Mutter Zuge
tragen;
Nur andrer Heimat Wiege, wo
sie lagen,
Konnt’ in der Sitt’ einander sie
entwöhnen.
Sie fesseln mich mit ihrer
Stimme Tönen,
Die zart und voll den Sinn der
Rede sagen.
Wenn eine schweigt, muß ich
vermissend klagen,
Und ich sie höre, scheint mir
wert zu krönen.
Ich streb’, entzündet, ihnen
nachzulallen,
Doch wie ein fernes Echo,
matter, trüber,
Hauch, ich nur Lispeln in die
rauhen Lüfte.
Wer kann den ölbekränzten
Betis wallen
Durch deutsche Fluren heißen,
und, herüber
Die Alpen, Welschlands
Pomeranzendüfte?
1767 - 1845
Ein Redner buhlte mit
Sophistenschlingen
Und Wortgespinst, die Poesie
zu fangen.
Ihm galten nur die Worte, was
sie klangen,
Und eitel ließ er Wortgetändel
klingen.
Da wandte sie vor seinem
schlauen Dringen
Sich zu des Rhythmus
männlichem Verlangen;
Mit reiner Inbrunst hielt er
sie umfangen,
Und beider Lust ward ein
harmonisch Singen.
Der Redespieler härmte sich
verlassen,
Ward bloße Stimme, doch nicht
leer und nichtig:
Es schien, daß Lieb’ in jedem
Laut noch keime.
Nun wandelt Poesie in Mild’
ihr Hassen,
Und sie vernimmt, ruft sie ihn
nun sehnsüchtig,
Echo des Sinnes, zarte süße
Reime.
1767 - 1845
Hier bin ich einsam,
keiner kört die Klage. klage!
Niemand vertrau’ ich mein
verzagtes Stöhnen. Tönen.
Soll ich stets ungeliebt der
spröden fröhnen? höhnen.
Wie lang harr’ ich umsonst,
daß es mir tage? Tage.
Mich findet Gunst zu leicht
auf ihrer Wage. wage!
Wem liegt wohl dran, mein
Leben zu verschönen? Schönen.
So wird das holde Glück mich
endlich krönen? krönen.
Wer giebt mir frohe Kund’ auf
jede Frage? frage!
Was ist dein Tun dort in den
Felsenhallen? hallen.
Und was ist Schuld, daß du nur
Laut geblieben? lieben.
So fühlst du etwas bei
Verliebter Schmerzen? Schmerzen.
Glaubst du, dein Spiel könn’
irgendwem gefallen? allen.
Wem wird es denn zu lieb mit
und getrieben? Trieben.
Wer sehnt sich leeren
Wiederhall zu herzen? Herzen.
1767 - 1845
Der Pelikan nährt mit der Purpurquelle
Aus seinem Busen die geliebten
Jungen;
Der Adler lehrt, der Sonne
zugeschwungen,
Dem jungen Adler tragen ihre
Helle;
Der große Leu, würdig der
Oberstelle,
Belebt das Junge, so, von ihm
entsprungen,
Wie todt erst daliegt, mit der
Kraft der Lungen
Und haucht es an, daß
Lebenswärm’ es schwelle.
Sie sind ein Vorbild edler
Menschengaben:
So opfert gern sich selbst
wohlthuende Milde,
Muth kann durch Thaten Jünger
sich erziehen.
Allein dem Genius nur ward es
verliehen,
Daß schon sein reiner Hauch beseelend
bilde;
Drum ist er zu dem
Herrscherrang erhaben.
1767 - 1845 An
Iffland
Sind’s Träume, die dem Sinn
vorüber walten,
Und die ein Morgenlüftchen mit
sich rafft?
Und seh’ ich wirklich: welch ein
Zauber schafft,
Daß Hellas Wunder neu sich mir
entfalten!
Er ist’s, der Bildner redender
Gestalten:
Sein Feuerblick, sein Sang,
der Arme Kraft,
Die Denkerstirn, die tiefe
Leidenschaft,
Die mächtig ringt, daß Höchste
festzuhalten.
Was zürnst du noch dem Werke
deiner Hand,
Dem Spiegel deiner
schöpferischen Seele,
Als ob ihm Leben zur
Vollendung fehle?
Die hohe Kunst, der sich dein
Geist verband,
Schon fühlst du sie von deiner
Glut erwarmen;
Sie steigt herab und ruht in
deinen Armen.
1767 - 1845
Du eilst nicht, leichte
Lorbeer’n nur zu greifen,
Um müßig dann des Lobes Trank
zu schlürfen.
Wenn siebenfach Trophäen dir
sich häufen,
Wirst du der That, wie dein
die Welt bedürfen.
So viel zu können, was man kann,
zu dürfen,
muß zwar mit Gottgefühl die
Brust ergreifen,
Doch, fliegend von Entwürfen
zu Entwürfen,
Läßt deiner Weisheit Frucht
dein Muth nicht reifen.
Kaum hast du dich von deinem
Werk geschieden,
So ist’s dem Chaos wieder
hingegeben;
Zum Grabe wird die Wiege neuer
Staaten.
O setze Herkulessäulen deinen
Thaten
Willst du von Nilus Haupt den
Schleier heben,
So stürzen hinter dir die
Pyramiden.
1767 - 1845
Vom Tode rettet nur den Tod
Verachten.
Dem, der ihn fürchtet, trinkt
er zu beim Mahle,
Der grause Gast, aus
blinkendem Pokale,
Daß rings der Freude Kerzen
sich umnachten.
Doch wenn der Freude Kerzen
sich umnachten.
Doch wenn ihn Muth und Kraft
zu reizen trachten,
So weicht er aus, und trifft
mit scheuem Stahle;
Ihn höhnt der Krieg, ob er
Tribut ihm zahle,
Und über ihn siegprangen
blut’ge Schlachten.
Drum habet Dank, ihr großen
Todverächter!
Euch, die ihr einsam euer Blut
gespendet
Dem Zeus Befreier, soll der
Einz’le danken;
Die Nationen, Römer, euch, und
Franken!
Im Kampf mit Schrecken, die
der Orkus sendet,
Seid ihr die Phalanx
sterblicher Geschlechter.
1767 - 1845
Wie Heut sich end’gen wird,
was Morgen bringen,
Ich weiß es nicht; doch streu
ich gerne Saaten.
Sie laße Luft und Boden dann
gerathen,
Durch meine Trägheit soll es
nicht mißlingen.
Kenn’ ich nur mich, was frag’
ich nach den Dingen?
In meiner Brust versteh’ ich
Andrer Thaten.
Die Weisheit muß mir Maß und
Stille rathen,
Auf daß nicht blindlings meine
Kräfte ringen.
Den ew’gen Schlangenkreis, der
uns umfahet.
Zu überschaun braucht nur des
Schicksals Wächter;
Wohltätig schwindet Eins, wenn
Andres nahet.
Mag doch die Zukunft drohn aus
düstern Fernen:
Sucht euren Weg, verbrüderte
Geschlechter!
Der Himmel leuchtet ja mit
seinen Sternen.
1767 - 1845
O heil’ge Treue! sittsame
Vestale,
Die auf der Seel’ Altar die
Flamme hütet!
Astraea, die dem Neid des
Glücks gebietet,
Mit Lieb’ und Gegenlieb’ in
gleicher Schale!
Du Flora, die im thränbetauten
Thale
Des Lebens auch den Winter
schön beblütet!
Doch, wenn der Tod mit harter
Trennung wütet,
Du Parce mit verhängnisvollem
Stahle!
Sag’ wo sind deiner Wunder
hingeschwunden?
Sind dir zu dienen würdig nur
Heroen,
Und kann die schlaffe Welt
nicht mehr gesunden?
Du wirst vermißt an Mann,
Weib, Niedern, Hohen,
Und mancher höhnt, nie seist
du wahr erfunden
Weil du aus seiner falschen
Brust entflohen.
1767 - 1845
Von Sternen hat die Vorwelt
uns gelehret,
Die Tugend, Frevel, Ruhm,
Schmach, Glück, Mißlingen,
Aus den geheimnisvollen
Kreisen bringen,
Und deren Macht kein Wille
sich erwehret;
Von Zeichen, die der Kund’ge
sieht und höret,
Und den Orakeln leichter
Vogelschwingen;
Auch von Sirenen, deren
zaubernd Singen
Unwiderstehlich in den Tod
bethöret.
Der Jugend ziemt des Sinnbilds
holde Leitung,
Doch heb’, erwachen nun, der
Mensch die Stirne,
Hör auf, was in ihm, außer
sich zu wähnen.
Muth, Freiheit, Kraft, sind
seines Heils Gestirne,
Der Weisheit Blicke seiner
Zukunft Deutung,
Wahn, Trägheit, Wollust,
seiner Brust Sirenen.
1767 - 1845
Grau, doch nicht weis’ ist das
Jahrhundert worden:
Ihm ist umsonst die
Weltgeschicht’ erschollen.
Noch thürmen sich im Strom des
Eises Schollen,
Und heft’ger brausen Aeols
wilde Horden.
Wird blindlings hin und her
stets Mavors worden?
Wird stets das Glück sein Rad
zertrümmernd rollen?
Gilt freches Wollen bloß, nie
ernstes Sollen?
Und einigt Völker nur der
Selbstsucht Orden?
Steigt niemals, die, wie jenes
Greisen Töchter,
Verwegenheit und wilder Wahn
zerfleischet,
Verjüngt die Menschheit aus
den Zauberkesseln?
So mag die Hoffnung, welche
die Geschlechter
Mit Weissagungen goldner
Zukunft täuschet,
Zu ew’ger Flucht Pandora’s
Urn’ entfesseln.
1767 - 1845
Einst war die heil’ge Schrift
sammt den Legenden
Der Thespis-Karrn der rohen
neuern Bühnen;
Dem Volk und Spielern, gleich
an Einfalt, schienen
Die Possen nicht das Heiligste
zu schänden.
Doch als die Kunst entwuchs
den frommen Händen,
Da wollt’ im Schauspiel
niemand Gott mehr dienen,
Und stolze Geister durften
sich erkühnen
Spott über jene Wunder
auszusenden.
Du, in der Dichterbildung
reicher Blüthe,
Bringst uns verwandelt wieder
jene Zeiten,
Wo Adam auf der Bühn’ erschien
und Eva.
Ja, Dank sei deinem kindlichen
Gemüthe,
Heiligst die Kunst,
verschönerst Heiligkeiten,
Und machst zum Lied das Leid
der Genoveva.
1767 - 1845
Hochbrausend rang mit Peleus
Sohn Skamander,
Der Held muß fliehn die Schlingen
seiner Fluthen;
Doch zähmen bald den Strom des
Feuers Gluten,
Des eignen Betts unwill’gen
Salamander.
Cydnus lud in die friedlichen
Mäander,
Auf deren Spiegel
Mittagsschatten ruhten;
Doch mitten in dem süßen Bad
umfluten
Des Todes Schau’r den großen
Alexander.
Ein glühend Herz zagt nicht
bei’m wilden Rauschen
Feindseligen Geschicks, und
wird sich halten,
Schlüg’ über’m Haupt die Well’
ihm auch zusammen.
Doch in der Wollust kühlem
Schoße lauschen
Geheimes Grausen, bängliches
Erkalten,
Und löschen der Begeistrung
muth’ge Flammen.
1767 - 1845
über sein Bildnis der Gräfin
Tolstoy
geb. Baratinsky
So schlingt die Rechte in des
Hauptes Schleier
Der Treue Göttin und der
keuschen Sitte;
So, sinnend und versenkt in
fromme Bitte,
Steht die Vestale vor dem
ew’gen Feuer.
Und die bewahrt das Heiligtum
nicht treuer,
Als du der Schönheit folgst
mit leisem Tritte
Bis in der Göttlichkeit
erhabne Mitte,
Und machst die Kunst zu reiner
Andacht Feier.
Doch mildert ihren Ernst ein
lieblich Scherzen:
Du wölbst in goldner Luft aus
goldnen Blättern
Der Holden eine Laub’ und süße
Wildnis.
Elysium bringt mit sich herein
zum Herzen,
Von Myrth’ umgrünt, umspielt
von Liebesgöttern,
Das hohe zarte heiligschöne
Bildnis.
*Dieses Bild war auf Goldgrund
gemalt, und auf dem
Goldgrunde rings umher mit
einer Myrthenlaube verziert,
worin spielende Liebesgotter
saßen.
1767 - 1845
Du kennst wohl jene Frucht der
sonn’gen Zone,
Die aus dem goldnen Schoße
grüne Sprossen
Empor läßt, wie zum
Palmenwipfel, schossen,
Daß unter schatt’gem Baldachin
sie throne.
Doch schafft, getrennt von
ihrer Frucht, die Krone,
Sich, wurzelnd, neu den
würzigen Genossen,
Bewährend, daß, gleich durch
sie hin ergossen,
Die süße Kraft im Kern, im
Schmucke wohne.
So, Freund, will deine
Dichtung mir gemuthen:
In jugendlicher
Frühlingspracht verborgen
Hegt sie des fernen
Himmelsstrichs Arome.
Hier duft’ges Abendland, dort
glühnder Morgen;
Dazwischen hauchen Lüft’ und
Meere fluten
Hin und zurück mit linder
Sehnsucht Strome.
1767 - 1845 Am 9.
Jannuar 1803
Wohl tatst du, Freund,
entfremdet äußerm Glanze,
Vom Staat verlieh’ne Waffen abzulegen.
Doch, angestammt, bleibt treu
dir Sporn und Degen,
Du schwingst im Lied nun alter
Ritter Lanze.
Und lieblich winkt die
liebevolle Pflanze
Der Myrthe dir, im Schatten
dich zu hegen;
Und wie du sorgsam wirst die
zarte pflegen,
Sproßt sie, o Wunder! dir zum
Lorbeerkranze.
Wie gerne krönt’ ich, segnend
bei dem Feste,
Die holde Braut, die dir dein
Herz gefunden,
Mit jedes Lobes
Strahlen-Diademe!
Von fern empfange denn, als
gute Gäste,
Auf diesem Blatt zum Bild’ in
eins gewunden,
Der sel’gen Lieb’ und Poesie
Empleme.
1767 - 1845
Gebirge du von Pfeilern,
Bogen, Mauern,
Mit deutscher Kunst des
welschen Himmels Prangen!
An deinem hochgethürmten Umriß
hangen
Die Blicke staunend halb und
halb mit Trauern.
Ein steinern Heer von Vätern
und Erbauern
Der Kirche hält dich, selbst
ihr Bild, umfangen,
Und lehrt, wie wandelbar die
Zeit empfangen
Wahrheit, so alle Zeit soll
überdauern.
Der Chor vertieft sich ernst
in farb’gem Lichte,
Doch Eitelkeit der klügelnden Geschlechter
Hat das Portal der alten Form
entwendet.
Nun laßen sie, des Heiligen
Verächter,
In nacktem Wust den Tempel
unvollendet,
Und so verstummt die marmorne
Geschichte.
1767 - 1845
Den schwarzen Sohn der
sonnentflammten Zone
Entführt aus seinem Psalmen
Palmen-Vaterlande
Europa’s Geiz, daß er an
fernem Strande
In hartem Sklavendienst
verschmachtend frohne.
Die Freiheit wird dem Armen
erst zum Lohne.
Für seine Treu’ entfallen ihm
die Bande;
Er lernt, beglückt in seinem
niedern Stande,
Daß Mild und Recht im Land der
Weißen wohne.
Bald winken ihm zwei segnende
Gestirne:
seht! Huld und Adel mit
vereintem Triebe
Geleiten ihn zum heil’gen
Glaubensbade.
Ein Lichtstrahl fällt auf
seine dunkle Stirne,
Ihm offenbart der Christen
fromme Liebe
Das göttliche Geheimnis ew’ger
Gnade.
*
Gedichtet im Schloß Chaumont an der Loire
1767 - 1845 Am 10.
März 1803
Die Blumen sind die Kinder in
den Reichen
Der lieblichen Natur: sie
dürfen kommen,
Am hohen Thron selbst
freundlich aufgenommen;
Drum wag’ ich heut, Dir diese
darzureichen.
Lies Huldigung in diesen
zarten Zeichen:
Wie Flüstern der Gefühle sei’s
vernommen,
Wie sie für Dich in Farb’ und
Duft entglommen,
Wenn sie vor Deiner Schönheit
nicht erbleichen.
Der Tag muß stets des
Frühlings Zierden bringen,
Der Dich zuerst geführt in’s
holde Leben,
Die Königin der Anmuth und der
Sitten.
O möchte, wenn Dich alle
Künst’ umringen,
In der, die mich Thalia lehrt,
mein Streben
Oft Blumen Dir erziehn in
Winters Mitten!
1767 - 1845 bei
Vermählung seiner Tochter
1821
Sieh, biedrer Freund, mich
freudig hier erscheinen.
Die holde Braut in ihrer
Myrthenkrone
Wird dem bewährten edeln Mann
zum Lohne;
Zwei treue Herzen wollen sich
vereinen.
Mit Dir sei Gottes Segen, und
den Deinen!
Des Vaters Geist, der Mutter
Tugend wohne
in jeder blühn’der Tochter,
jedem Sohne!
Du sehest frisch gedeihn die
zarten Kleinen!
Dein redlich Thun zu schaun,
ist seelenlabend:
Ich traf Dich spät auf meinem
Lebenswege,
Die späte Freundschaft ward
erprobt gefunden.
Mir neigte längst die Sonne
sich zum Abend;
Doch wenn ich nun mich müde
niederlege,
Dann denke noch so mancher
trauten Stunden.
1767 - 1845
Zu spät! zu spät! und wollte
sie auch gerne.
Die Jugend, die mein Haupt
gekrönet,
Die Poesie, die meine Brust
durchtönet,
Sie sind entfloh’n. Es blassen
meine Sterne.
Ach! warum blieb ich einsam nicht
und ferne?
Längst hatt’ ich süßem Trug
nicht mehr gefröhnet,
Doch ward des Wahnes Schuld
noch nicht versöhnet,
Und Zeit ist’s, daß ich in mir
sterben lerne.
Ein Weib begegnet mir voll
Huld und Milde,
Doch ist ein heil’ger Engel
ihr Gefährte;
Ich darf nicht bitten und sie
darf nicht geben.
Ich schaue sehnend nach dem
zarten Bilde,
Da winkt der Cherub mit dem
Flammenschwerte:
„Nimm Abschied von der Liebe,
von dem Leben!“
1767 - 1845
Es hat mich wollen, werther
Freund, bedunken,
Daß du bisher die Tinte müssen
sparen,
Daß auch die Federn nicht
geschnitten waren,
Weshalb dir fast die
Autorschaft entsunken.
Doch da dein Ruf so herrlich
schon gestunken,
Mußt du ihn auch hinfüro
offenbaren.
Auf, kratze dich in deinen
krausen Haaren,
Und wag es, in dies große Faß
zu tunken!
Bald wirst du sehn Komödien
draus erwachsen,
Burlesken und Roman’ ans Licht
gezogen,
Und Theorie’n und witzige
Kritiken.
Mit dieser Schwanenfeder aus
den Axen
Hebst du die Litt’ratur; der
Foliobogen
Wird bald zum Schlachtfeld, wo
die Merkel quieken
1767 - 1845 für den
Theaterpräsidenten von Kotzebue
bei seiner gehofften Rückkehr
in’s Vaterland.
I.
Von liederlichen Thränen giebts
nun Ferien,
Und niemand schwängert unsrer
Bühne Musen;
Das Nationaltheater der
Tungusen
Geht Kotzebue zu bilden nach
Siberien.
Apostel du, von England bis
Hesperien,
Naiver Menschheit in gefallnen
Busen!
Bald, als
Parterr-versteinernde Medusen,
Bringst du uns
kamtschadalische Materien.
Zweiter Benjowsky! Bayard ohne
Tadel!
Jenseits des Boreas nun kennen
lerne
Das Land, wovon du prophezeit
als Seher.
Rußlands Monarch ertheilt dir
höhern Adel:
Zum Esel machten dich Geburt
und Sterne,
Doch die Kibitke zum
Hyperboreer.
II.
AUF; Britten, des brutalen
Brutus Brut!
Errettet euren Dichter
Kotzebue.
Euch ist er er eigen, euch
gehört er zu,
Er wärmt noch euer
bierverdicktes Blut.
Mit mächt’gen Flotten theilt
die Meeresflut,
Habt, eh ihn Paul zurückgiebt,
keine Ruh;
Sprecht: Ein Britannien lebt,
ein Zar wie du,
Ein Kotzebue, sie alle groß
und gut.
Stellt ihn der edle Zar auf
freien Fuß:
Rule, Kotzebue, dann, und
Britannia rule!
Erfreut euch eures
wohlerrungnen Guts;
Und mengt Moral in seiner
Stücke Muß,
Und fischt aus ihrem flachen
breiten Pfuhl
Beauties of Kotzebue, fit for the brutes!
IV.
Castra doloris waren die
Theater,
Da Kotzebue für alle schien
verloren.
Allein er ist uns wieder neu
geboren,
Und im Gefolge seines Ruhmes
naht er.
Berlins Thiergarten wie der
Wiener Prater,
Und Weimars Park verkunden’s
Aller Ohren:
Zum großen Fest ist dieser Tag
erkoren
Für unsrer Bühne Vater und
Berather.
Trompetet, paukt denn,
klatscht und treibt Geschnatter,
Der Lampenputzer komm’ im
neuen Rocke,
Und wie ein jeder kann, so
feir’ ihn jeder.
Du, kratz’ das Herz mit
Heldenfratzen, Kratter!
Du, siede neue Zauberinnen,
Zschokke!
Du, laß die Bestien tanzen,
Schikaneder!
V.
Vom Idealen schwatzt man viel
und Edeln,
Du aber weißt bei menschlichen
Gebrechen,
Vergiften, Lügen, Rauben,
Jungfern-schwächen,
Das Edle noch durch’s kleinste
Loch zu fädeln.
Was sag ich erst vom edlen
Geldvertrödeln?
Vom edlen Fluchen?
Tabakspfeifen-brechen?
Ja, deine Feinde selber müssen
sprechen,
Das edel auch bei dir die Hunde
wedeln.
Drum öffnen dir sich gern die
Thränenschleusen.
Wer nicht an Menschheit
glaubt, geh in’s Theater,
Er seh dein Publicum und dich,
und lern’ es.
Du machst zerbrochne Puppen
uns zu Waisen,
Saugst Rührung über Mutter,
Kind und Vater
Am Nasenzipfel eines
Holofernes.
VI.
Shakespeare ward nicht geängstet von der
Regel,
Denn Recensenten gab’s noch
nicht zum Glücke,
Meinst du; und käm’s nur bis
dahin zurücke,
Gingst du so kühn wie er wohl
unter Segel.
Dich neckt mit Tücken Tieck,
mit Schlägen Schlegel,
Bernhardi harrt auf jedes
deiner Stücke,
Daß er in kleine Bißchen sie
zerstücke:
Allen was kümmern dich
dergleichen Flegel?
Du scheust nicht mehr die
Literatur-Zeitung,
Sonst deinen Todfeind; dich
will Schütz beschützen,
Den Witz, den er verlor,
find’t in dir Huber.
Drum sei nun Shakespeare,
dreist auf solche Stützen,
Und ruf’ mit genial’scher Zubereitung
Der Helden Geist aus deinem
Tränenzuber.
VII.
Seit langer Zeit Verfertiger
von Dramen
Wollt’ er nun endlich ein Poet
auch werden.
Das Versemachen macht zwar
viel Beschwerden,
Allein es führt auch einen
schönen Namen.
Den Gustav, Bayard, und antike
Damen
Besteigt er drum gleich
raschen Flügelpferden,
Und fliegt, zum Himmel nicht,
herab zur Erden.
Da heißt es recht: es springen
selbst die Lahmen.
Den Visitator Momus an der
Grenze
Des Pindus wollt’ Apoll zur
Rede stellen,
Daß er die Contrebande lassen
ziehen.
Doch Momus lacht: Der stiehlt
dir keine Kränze;
Er holt aus deinem Hain, an
deinen Quellen,
Statt Poesie nur
Kotzebuesieen.
VIII.
Unwissend seist du, spricht
der Terrorismus
Der Kritiker, und dummdreist,
doch zu wagen,
Mit breitem Spott der Menge
vorzutragen
Browns große Lehr’, und Kants
Idealismus.
Doch du verstehst dich auf den
Organismus
Trotz jedem Physiker in unsern
Tagen,
Und alle deine Stücke, kann
man sagen,
Sind nur Versuche mit dem
Galvanismus.
Den Silberthaler gangbarn
Edelmuthes,
Sammt leichten Platten deines
zinknen Witzes,
Weißt du armierten Nerven
aufzudrucken.
Und o, wie wunderbare Wirkung
thut es!
Du zwingst mit der Empfindung
eines Blitzes
Das Publicum, den großen
Frosch, zu zucken.
IX.
Der Muse Spiel soll nicht die
Pflichten lehren,
Der Tugend Ernst verschmäht
entlehnte Flügel.
Ist nur ein reiner Sinn des
Lebens Spiegel,
So wird von selbst die
Dichtung Gutes nähren.
Du aber strebst die Meinung zu
verkehren,
Du brichst mit schlaffem schmeichelndem
Geklügel
Durch strenger Zucht und Sitt’
und Wahrheit Riegel,
Und Weib und Mädchen kuppelst
du mit Ehren.
Dann kommst du mit der Zutat
milder Taten,
Mit Lebensretterei und edlem
Triebe;
So glaubst du, kann der Teufel
dich nicht holen.
Nein, Schuster Kotzebue! wie
falsch geraten!
Wie woll’n die Schuhe nicht
aus Christenliebe,
Nur sei dazu das Leder nicht
gestohlen.
X.
In allen Lagen bleibt der
große Dichter
Stets unerschütterlich auf
seinem Posten:
Man glaubt ihn fern im
dunkelsten Nordosten,
Er stehn im Glanze der
Theaterlichter.
Es drängen sich neugierige
Gesichter;
Wie sollte heut die alte Liebe
rosten?
Er giebt ja auf des eignem
Schicksals Kosten
Ein Schauspiel vom
beliebtesten Gelichter.
Zu Anfang die sentimentale
Reise;
Hierauf nothlose Röthen zum
Erbarmen;
Ein milder Fürst, und
Menschenlieb’ am Hofe.
Dann Rückkehr, Jubel,
Wiedersehn, Umarmen.
Zusammenhang war niemals seine
Weise:
Unmotiviert ist auch die
Katastrophe.
1767 - 1845 Bei einem
gesellschaftlichen Fragespiel.
An Madame S. M.
Endlich wird auch mir das
Glück zu Theil,
Holde Dichterin, dich zu
befragen,
Ach, mein Herz hat dir so viel
zu sagen,
Und es ist nicht für die
Langeweil.
Ängstlich sah ich deine große
Eil,
Dich nach hause von uns
wegzutragen:
Ich verzehrte mich in stillen
Klagen
Und verzagte fast an meinem
Heil.
Höre denn! doch thu zuvor den
Schwur
Bei den Grazien und Musen
zwölfen,
Bei der Tugend, Schönheit und
Natur:
So Apollo stets dir möge
helfen,
Woll’st du Wahrheit mir
verkünden nur. –
Liebst du mehr die Sylphen
oder Elfen?
1767 - 1845
Du alte stolze Rom, die, was
der Erdkreis faßt,
Zum Prunk herbeigeschleppt vom
Rheine, wie vom Nine;
Die du des Herrschers kraft,
des Herrschers Hochgefühle
Auf deiner Werke Stirn so hell
gestempelt hast.
Trophä’n, die ihr dem Blick
des Tages wißen laßt,
Daß Menschenwitz und Fleiß mit
Elementen spiele!
Du Circus, wo vordem Barbaren,
bei’m Gewühle
Des rohen Volks, ihr Blut zum
Scherze hingepraßt!
Ihr alle habt umsonst
Unsterblichkeit gefodert;
Ihr, die ihr schon vorlängst,
wie wie eure Schöpfer modert
Ihr, die der Säclen Grimm in’s
Nichts darnieder schmiß!
Weil denn der Zeiten Zahn
Granit und Stahl zerwühlet,
Was klag’ ich, daß nun auch
mein grauer Flaus ihn fühlet,
Den ich zwei Jahre trug, der
heut am Ärmel riß?